Führen ist kein Job – es ist ein Spannungsfeld
Als ich zum ersten Mal offiziell „Führungskraft“ war, dachte ich: Jetzt habe ich Verantwortung – also sollte ich möglichst viel selbst in die Hand nehmen. Ich plante, steuerte, kontrollierte. Ich wollte für alles zuständig sein. Fürs Team, für die Ergebnisse, für die Stimmung, für die Kunden. Und dann kam die Realität.
Führen ist kein sauber abgegrenzter Aufgabenbereich. Es ist ein Spannungsfeld. Zwischen Freiheit und Struktur, Nähe und Distanz, Kontrolle und Vertrauen, Zuhören und Entscheiden. Und vor allem: Zwischen dem, was Menschen brauchen – und dem, was das System erwartet.
Heute begleite ich Führungskräfte, die genau an diesem Punkt stehen: zwischen Anspruch und Überforderung, zwischen Macht und Ohnmacht.
Rollenverwirrung: Wenn alle alles machen, führt niemand
Ein häufiger Satz in meinen Coachings: „Ich weiss gar nicht mehr genau, was eigentlich meine Aufgabe ist.“
Das höre ich nicht nur von jungen Führungskräften, sondern auch von CEOs. Die Grenzen verschwimmen – gerade in agilen Strukturen, projektgetriebenen Organisationen oder Familienunternehmen.
Führung ist eben nicht: immer erreichbar sein, jedes Problem lösen, jede Entscheidung selbst treffen.
Führung ist: Klarheit darüber schaffen, wer wofür verantwortlich ist – und sich selbst nicht verlieren.
Aufgaben einer Führungskraft – und warum sie so oft missverstanden werden
Klassisch denkt man: Führung bedeutet, das Team zu organisieren und Ergebnisse zu sichern. Das stimmt – aber es ist zu kurz gegriffen.
In der Praxis zeigt sich:
Viele Führungskräfte versinken im Operativen, weil nicht klar ist, was Führung bedeutet – oder weil sie sich nicht trauen, den Führungsteil einzufordern. Und genau hier entsteht Überlastung.
Was wirklich zu den Aufgaben gehört:
- Prioritäten setzen: Nicht alles ist gleich wichtig – aber es wird so behandelt.
- Entscheiden: Auch wenn nicht alle glücklich sein werden.
- Delegieren: Aufgaben abgeben, ohne Kontrolle aus der Hand zu verlieren.
- Mitarbeitende entwickeln: Nicht retten – fördern.
- Konflikte führen: Nicht vermeiden.
- Kultur gestalten: Nicht nur mit Worten, sondern durch Haltung.
- Eigenverantwortung ermöglichen: Und dabei die Führung nicht abgeben.
Die Realität sieht oft anders aus: Micromanagement, Dauerverfügbarkeit, Angst vor Ablehnung – und irgendwann völlige Erschöpfung.
Verantwortung ist keine Last – wenn du sie wirklich annimmst
Verantwortung wird oft mit Bürde verwechselt. Ich sehe viele Führungskräfte, die sich für alles zuständig fühlen, aber nie die Entscheidungsmacht einfordern, die sie brauchen würden, um wirklich führen zu können.
Verantwortung ohne Gestaltungsspielraum ist toxisch. Und Macht, die nicht genutzt wird, schafft Chaos.
Wer führt, muss bereit sein, die Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen zu tragen – aber auch die Verantwortung abzugeben, wenn andere ins Spiel kommen. Das bedeutet nicht Schwäche, sondern Reife.
Macht: das Tabu der modernen Führung
Macht klingt nach Dominanz. Aber Macht ist einfach: die Fähigkeit, Wirkung zu erzeugen.
Und ja – sie ist unbequem. Denn Macht bedeutet auch: Entscheiden, ohne dass alle zufrieden sind. Klarheit schaffen, wo lieber Harmonie herrschen würde. Grenzen setzen, wo Unschärfe bequem wäre.
Viele meiner Coachees zögern hier: „Ich will mein Team nicht bevormunden.“ Oder: „Ich will nicht zu autoritär wirken.“ Verständlich – aber falsch.
Wer sich seiner Wirkung entzieht, verliert Führungsautorität. Wer Entscheidungen endlos verschiebt, erzeugt Unsicherheit. Und wer zu sehr gefallen will, verliert Respekt.
Typische Führungsfallen – und wie du sie erkennst
- Du tust, was das Team will – aber niemand weiss mehr, wo’s langgeht.
- Du gibst Verantwortung ab – aber keiner fühlt sich zuständig.
- Du führst Gespräche – aber niemand spürt Konsequenzen.
- Du willst unterstützen – aber wirst zum emotionalen Mülleimer.
- Du setzt Ziele – aber niemand priorisiert.
Diese Muster sind menschlich – aber sie lassen sich ändern. Der erste Schritt ist: Hinschauen. Ehrlich. Ohne Schuldgefühl.
Führung in der Praxis neu denken: Drei Perspektiven, die helfen
1. Führung ist kein Service, sondern eine Aufgabe.
Du bist nicht dafür da, dass sich alle immer wohlfühlen. Du bist da, um Rahmen zu geben, Klarheit zu schaffen und Entscheidungen zu tragen.
2. Führung ist Selbstführung.
Wenn du deine eigenen Grenzen nicht kennst, wirst du sie auch bei anderen nicht respektieren. Wer führen will, muss sich selbst führen können – emotional, zeitlich, mental.
3. Führung ist ein Handwerk.
Du kannst lernen, Entscheidungen besser zu treffen. Gespräche klarer zu führen. Verantwortung mutiger zu übernehmen. Aber es braucht Übung – und manchmal einen ehrlichen Blick von aussen.
Fazit: Wer führen will, muss mehr aushalten als glänzen
Führung ist nicht der bequemste Job – aber einer der sinnvollsten. Sie verlangt dir viel ab. Und gibt dir viel zurück – wenn du bereit bist, die Spannungsfelder auszuhalten. Wenn du die Macht annimmst, statt sie zu scheuen. Und wenn du dir selbst die Erlaubnis gibst, wirklich zu führen.
Du brauchst kein Coaching, um perfekt zu werden. Aber vielleicht, um klarer zu sehen, wie du führen willst – und was dich davon abhält.
Ich begleite dich gern – mit klarem Blick, persönlicher Erfahrung und einer grossen Portion Ehrlichkeit. In Zürich oder online.
Noch Fragen? Schreib mir unverbindlich.
Dein Coaching – persönlich. Klar. Wirkungsvoll.