Aufgewachsen bin ich im Landgasthof. Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite gab es grossartige Menschen, die ich beobachten und studieren konnte, auf der anderen Seite gab es unnötigen Stress, fehlende Strukturen, reichlich Alkohol und Kummer.
Am liebsten verbrachte ich meine Zeit in der Natur – und damit wäre der größte Vorteil meines Landlebens auch schon genannt. In anderen Bereichen stieß ich rasch an Grenzen. Zum Beispiel in der Schule, wo ich zwischen Freude (Deutsch-, Musik- und Zeichnungslehrer) und Totalkatastrophe (alle anderen Fächer) pendelte.
Wie die meisten Menschen fühlte ich mich zu Höherem geboren – oder besser gesagt zu Glücklicherem. Also hoffte ich auf ein Wunder oder eine schicksalhafte Fügung, die mir das Glück beschert, denn glücklich war ich nicht. Aus Filmen und Märchen wusste ich, wie das Leben eigentlich aussehen müsste: Zuerst ist alles schlecht, dann kommt die schicksalhafte Fügung und alles wird gut. Anschließend würde ich glücklich bis an mein Lebensende leben. Eine einzige Fügung schien also zu reichen, um die Sache für mich bis in alle Ewigkeit zu fixen. Und darauf hoffte und wartete ich Tag für Tag.
Passiert ist wenig bis nichts. Dafür hatte ich die erste wichtige Lektion gelernt. Filme sind Filme, Märchen sind Märchen, mein Leben ist das Leben. Wenn sich in Letzterem etwas verändern soll, muss ich selbst dafür sorgen.
Als 12-Jähriger wollte ich Kinderpsychologe werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein solcher Berufswunsch oft mit eigenen Defiziten verknüpft ist. Leider kennt fast jeder die Misshandlungen, die wir in unseren „Kindergefängnissen“ erdulden. Doch ich erlebte nicht nur unglückliche Kinder, sondern auch unglückliche Erwachsene. Zu feiern gab es wenig – und wenn - dann mit reichlich Alkohol. Feiern, um zu vergessen.
Natürlich gab es auch glückliche Menschen und schöne Momente - diese gaben mir genug Inspiration, Energie und Lebensfreude, um mein inneres Feuer am Lodern zu halten.
Mein Berufswunsch hatte jedoch keinen Platz in dieser Welt. Erst nach (viel zu) vielen Umwegen und Ausreden konnte ich meinen Traum erfüllen. Heute kann ich die „Kinder von früher“ unterstützen und idealerweise von ihren Leiden befreien. Mein Geschenk an mich und die Welt. Heute bin ich glücklicher, den je.