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Ein Blick auf ADHS: Definition, Diagnose, Ursachen, Auswirkungen, kritische Fragen und Therapieansätze

Veröffentlicht am
18.1.2024
ADS ADHS Bild kreativ

Eine ganzheitliche Betrachtung einer komplexen Thematik

Als jemand, der möglicherweise nicht von ADHS betroffen ist, aber viele im Umfeld kennt, hat mich dieses Thema schon immer fasziniert. Aber auch die Kontroversen, insbesondere im Schul- und Medikationskontext, haben meine Neugier geweckt. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich einen Blick auf ADHS werfen – von der Definition bis zu kritischen Fragen und verschiedenen Behandlungsmethoden. Ich hoffe, dass dieser Beitrag nicht nur informiert, sondern auch dazu beiträgt, ein tieferes Verständnis für diese komplexe Thematik zu entwickeln.

Was ist ADHS?

ADHS ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die sich auf die Fähigkeit einer Person, Aufmerksamkeit zu lenken, Impulse zu kontrollieren und sich zu organisieren, auswirkt. Symptome können Hyperaktivität, Impulsivität, Unaufmerksamkeit und Schwierigkeiten bei der Selbstregulierung umfassen. Diese Symptome können sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirken, einschliesslich Bildung, Arbeit und sozialer Beziehungen.

Wie wird ADHS diagnostiziert?

Die Diagnose von ADHS basiert auf einer gründlichen klinischen Beurteilung, die die Erfassung von Symptomen, Beobachtungen im Verhalten und spezifische Diagnosekriterien umfasst. Es gibt verschiedene Ansätze zur Diagnose, einschliesslich Interviews, Beobachtungen und standardisierten Bewertungsinstrumenten.

Ursachen von ADHS

Die Ursachen von ADHS sind komplex und involvieren eine Kombination aus genetischen, neurobiologischen und Umweltfaktoren. Es wird angenommen, dass genetische Veranlagung, Neurotransmitterungleichgewichte im Gehirn sowie Umweltfaktoren wie pränatale Exposition gegenüber Tabak, Alkohol oder Umweltgiften eine Rolle spielen können.

Auswirkungen von ADHS

ADHS kann erhebliche Auswirkungen auf Bildung, Beruf, zwischenmenschliche Beziehungen und das allgemeine Wohlbefinden haben. Die Symptome können die Leistung in der Schule oder am Arbeitsplatz beeinträchtigen und zu Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen führen.

ADHS oder ADS?

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) und ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) werden oft synonym verwendet. Historisch gesehen wurde ADS als mildere Form betrachtet, die keine Hyperaktivität einschliesst. Heutzutage wird jedoch meist der Begriff ADHS verwendet, da er die breitere Symptomatik besser abbildet. Beide beziehen sich auf eine neurologische Störung mit Aufmerksamkeitsdefiziten.

Vorteile von ADHS?

Menschen mit ADHS können verschiedene Stärken und positive Eigenschaften aufweisen, darunter:

  1. Kreativität: Viele Menschen mit ADHS sind kreativ, denken ausserhalb der Box und bringen innovative Ideen hervor.
  2. Energie und Enthusiasmus: Die überschüssige Energie bei ADHS kann zu hoher Motivation und Enthusiasmus führen, insbesondere in Bereichen, die ihr Interesse wecken.
  3. Schnelle Auffassungsgabe: Einige Menschen mit ADHS können Informationen schnell aufnehmen und Verbindungen zwischen verschiedenen Konzepten herstellen.
  4. Flexibilität: Die Fähigkeit, schnell zwischen verschiedenen Aufgaben oder Ideen zu wechseln, ist bei Menschen mit ADHS oft ausgeprägt.
  5. Problemlösungsfähigkeiten: Die Neigung zu impulsivem Denken kann in manchen Situationen zu schnellen und kreativen Lösungen führen.

Berufe für Menschen mit ADHS

Menschen mit ADHS können in verschiedenen Berufen erfolgreich sein, insbesondere wenn die Tätigkeiten ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechen. Hier sind einige Berufe, die für Menschen mit ADHS geeignet sein könnten:

  1. Kreatives Schaffen: Berufe wie Künstler, Designer, Schriftsteller oder Musiker, bei denen die Möglichkeit besteht, kreativ zu arbeiten und flexibel zu denken.
  2. Unternehmer/Start-up-Gründer: Die Fähigkeit zu Risikobereitschaft, Kreativität und rasches Umschalten zwischen verschiedenen Aufgaben kann in der Unternehmenswelt von Vorteil sein.
  3. Sporttrainer/Personal Trainer: Berufe im Bereich Sport und Fitness können die nötige Bewegung und Abwechslung bieten, was für Menschen mit ADHS vorteilhaft sein kann.
  4. Handwerkliche Berufe: Jobs wie Zimmermann, Elektriker oder Mechaniker, die praktische Fertigkeiten erfordern, könnten gut zu Menschen mit ADHS passen.
  5. Technische Berufe: In Bereichen wie IT, Programmierung oder technischem Support, wo Problemlösung und schnelle Anpassung gefragt sind.
  6. Rettungsdienste/Feuerwehr/Polizei: Berufe, die Aktivität, schnelle Entscheidungsfindung und Abwechslung erfordern.
  7. Vertrieb/Verkauf: Jobs im Vertrieb, bei denen es um Kundenkontakt und variable Aufgaben geht, könnten für Menschen mit ADHS interessant sein.

Überdiagnose und Übermedikation?

Die Forschung zu ADHS und ihrer Diagnose ist umfangreich und komplex. Hier sind einige Aspekte, die in der Forschung und Debatte hervorgehoben wurden:

  1. Überdiagnose und Übermedikation: Einige Studien und Experten haben darauf hingewiesen, dass es Fälle von Überdiagnose und Übermedikation von ADHS geben könnte. Dies könnte auf unterschiedliche Diagnosepraktiken, individuelle Interpretationen von Verhalten und den Einsatz von Medikamenten zurückzuführen sein.
  2. Breite Definition und Stigmatisierung: Kritiker argumentieren, dass die Definition von ADHS möglicherweise zu breit gefasst ist und normale Verhaltensweisen unnötigerweise als Störung interpretiert werden. Dies könnte zu Stigmatisierung und einer übermässigen Pathologisierung führen.
  3. Heterogenität von Symptomen: ADHS ist eine heterogene Störung, und die Symptome können von Person zu Person stark variieren. Dies hat zu Diskussionen darüber geführt, ob die aktuellen diagnostischen Kriterien ausreichend präzise sind.
  4. Notwendigkeit einer ganzheitlichen Bewertung: Viele Experten betonen die Bedeutung einer umfassenden Bewertung, die verschiedene Aspekte des Lebens einer Person berücksichtigt, bevor eine ADHS-Diagnose gestellt wird. Dies schliesst soziale, emotionale und Umweltfaktoren ein.
  5. Bedeutung von Interventionen: Die Forschung betont auch die Bedeutung von verschiedenen Interventionen, einschliesslich Verhaltenstherapie, Erziehungsmethoden und Unterstützungssystemen, unabhängig von der Entscheidung für oder gegen Medikamente.

Welche Behandlungsmethoden, Therapieansätze gibt es?

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in der Schweiz und das Bundesministerium für Gesundheit in Deutschland empfehlen als Behandlung für ADHS eine Kombination aus verschiedenen Therapieansätzen, die individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten sind. Dazu gehören:

  1. Verhaltenstherapie: Diese Therapieform kann helfen, ungünstige Verhaltensmuster zu erkennen und zu ändern, indem sie Fähigkeiten zur Selbstregulation und Impulskontrolle vermittelt.
  2. Psychoedukation: Informationen über die Störung werden vermittelt, sowohl für die betroffenen Personen als auch für ihre Familien, um ein besseres Verständnis für die Krankheit zu entwickeln.
  3. Medikamentöse Behandlung: In einigen Fällen können Medikamente wie Stimulanzien (z. B. Methylphenidat) oder nicht stimulierende Medikamente (z. B. Atomoxetin) verschrieben werden, um die Symptome zu lindern.
  4. Soziale Unterstützung: Unterstützungsangebote, wie z.B. Gruppentherapien oder Selbsthilfegruppen, können helfen, mit den Schwierigkeiten im Alltag umzugehen und das soziale Umfeld zu stärken.

Gibt es noch weitere Behandlungsmöglichkeiten? 

Ja, neben den genannten Empfehlungen gibt es noch weitere Ansätze zur Behandlung von ADHS, die vom BAG und dem BMG nicht explizit empfohlen werden, aber dennoch in der Praxis Anwendung finden können. Dazu gehören:

  1. Neurofeedback-Therapie: Diese Methode nutzt Biofeedback-Techniken, um die Gehirnaktivität zu regulieren. Sie kann dazu beitragen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme zu verbessern.
  2. Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, praktische Fähigkeiten im Alltag zu entwickeln und zu verbessern, was für Menschen mit ADHS von Vorteil sein kann.
  3. Ernährungstherapie: Manche Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Ernährungsansätze, wie eine ausgewogene Ernährung und die Vermeidung von bestimmten Nahrungsmitteln, sich positiv auf die Symptome von ADHS auswirken könnten. Jedoch ist die wissenschaftliche Evidenz hierzu nicht eindeutig.
  4. Mindfulness (Achtsamkeitsübungen): Achtsamkeitstraining und Meditation können dabei helfen, die Aufmerksamkeit zu steuern und Stress zu reduzieren, was sich positiv auf ADHS-Symptome auswirken kann.
  5. Sport und Bewegung: Regelmässige körperliche Aktivität kann dazu beitragen, Hyperaktivität zu reduzieren und die Konzentrationsfähigkeit zu verbessern.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Wirksamkeit dieser alternativen Ansätze unterschiedlich sein kann und dass individuelle Reaktionen darauf variieren. Vor der Anwendung alternativer Therapien bei ADHS ist es ratsam, einen Facharzt oder Therapeuten zu konsultieren und eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Medikamentenbehandlung bei ADHS

Die Verabreichung von Medikamenten bei ADHS ist umstritten. Es wird diskutiert, ob Medikamente zu schnell verschrieben werden und ob dies zu einer übermässigen Medikalisierung führt. Eine kritische Analyse der Vor- und Nachteile von Medikamenten, einschliesslich ihrer Wirksamkeit, potenziellen Nebenwirkungen und Langzeitauswirkungen, ist von Bedeutung.

Symptome, die typischerweise für ADHS sprechen:

  1. Aufmerksamkeitsdefizite: Personen mit ADHS können Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe zu richten und diese aufrechtzuerhalten. Sie können sich leicht von äusseren Reizen ablenken lassen, haben Probleme, sich zu organisieren oder sich auf komplexe Aufgaben zu konzentrieren.
  2. Impulsivität: Betroffene neigen dazu, impulsiv zu handeln, ohne über die möglichen Konsequenzen nachzudenken. Sie können dazu neigen, Antworten zu unterbrechen, vorschnell Entscheidungen zu treffen oder spontane Handlungen auszuführen.
  3. Hyperaktivität: Während Hyperaktivität nicht bei allen mit ADHS einhergeht, kann sie sich als übermässige Unruhe oder ein ständiges Gefühl der Unruhe äussern. Betroffene können sich schwer beruhigen oder stillsitzen und fühlen sich ständig in Bewegung.
  4. Organisations- und Zeitmanagementprobleme: Schwierigkeiten bei der Organisation von Aufgaben, dem Einhalten von Zeitplänen und dem Abschliessen von Projekten können auf ADHS hinweisen. Betroffene können Mühe haben, ihre Aktivitäten zu strukturieren und effektiv zu planen.

Ähnliche Symptome, die nicht unbedingt für ADHS sprechen:

  1. Stress oder Angst: Stress oder Angst können ähnliche Symptome wie Unaufmerksamkeit und Ablenkbarkeit hervorrufen. In Zeiten hoher Belastung können Menschen Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren und Informationen zu verarbeiten.
  2. Depression: Eine depressive Störung kann zu Energiemangel, Interessenverlust und Konzentrationsstörungen führen. Diese Symptome können denen von ADHS ähneln, aber die zugrunde liegenden Ursachen und Behandlungsansätze sind unterschiedlich.
  3. Andere neurologische oder psychiatrische Störungen: Manche Symptome von ADHS können auch bei anderen Störungen auftreten. Zum Beispiel können Konzentrationsprobleme auch bei Autismus-Spektrum-Störungen (ASS), Lernstörungen oder anderen psychiatrischen Erkrankungen auftreten.
  4. Normales Verhalten bei Kindern und Jugendlichen: Bestimmte Verhaltensweisen, wie gelegentliche Unaufmerksamkeit oder Unruhe, können im Rahmen der normalen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen auftreten, ohne dass es sich um ADHS handelt.

Eine genaue Diagnose von ADHS erfordert eine umfassende Beurteilung durch einen Fachmann, der eine gründliche Untersuchung der Symptome durchführt und den Kontext des individuellen Lebens berücksichtigt. Nur so kann eine angemessene Unterscheidung zwischen ADHS und anderen möglicherweise ähnlich erscheinenden Zuständen erfolgen.

ADHS im Kindesalter und das erhöhte Risiko für Sucht im Erwachsenenalter

"Mit Zigaretten, Cannabis, Kokain oder Alkohol behandeln sich die Betroffenen anscheinend selbst"

Kinder mit ADHS haben ein gesteigertes Risiko, im Erwachsenenalter süchtig zu werden. Die motorische Hyperaktivität, Impulskontrollprobleme und Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit prägen das Leben der Betroffenen. Die genetische Veranlagung, insbesondere im Dopaminsystem, spielt eine wichtige Rolle. ADHS ist mit einem erhöhten Risiko für Substanzmissbrauch verbunden, das bei Erwachsenen viermal höher liegt als bei Gesunden. Die gestörten Belohnungssysteme im Gehirn könnten die Anfälligkeit für Suchterkrankungen erklären. Methylphenidat, oft zur Therapie eingesetzt, zeigt in klinischen Studien suchtprotektive Effekte, obwohl es kontroverse Diskussionen über ein mögliches Missbrauchspotenzial gibt. Eine umfassende Behandlung von ADHS sollte jedoch nicht ausschliesslich auf Medikamenten basieren, sondern auch Verhaltenstherapie und andere Therapieansätze einschliessen. Quelle: Pharmazeutische Zeitung.de

Ernährung bei ADHS

Die Forschung zeigt, dass Ernährung eine Rolle bei ADHS spielen kann. Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel die Symptome beeinflussen können. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und magerem Eiweiss sowie die Vermeidung von stark verarbeiteten Lebensmitteln und Zusatzstoffen könnten helfen. Hier sind einige relevante Quellen:

  1. Pelsser, Lidy M., et al. "Effects of a restricted elimination diet on the behaviour of children with attention-deficit hyperactivity disorder (INCA study): a randomised controlled trial." The Lancet, vol. 377, no. 9764, 2011, pp. 494-503.
  2. Howard, A. L., Robinson, M., Smith, G. J., Ambrosini, G. L., Piek, J. P., & Oddy, W. H. "ADHD is associated with a ‘Western’ dietary pattern in adolescents." Journal of Attention Disorders, vol. 15, no. 5, 2011, pp. 403-411.
  3. Nigg, J. T., Lewis, K., Edinger, T., & Falk, M. "Meta-analysis of attention-deficit/hyperactivity disorder or attention-deficit/hyperactivity disorder symptoms, restriction diet, and synthetic food color additives." Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, vol. 51, no. 1, 2012, pp. 86-97.

Fazit

ADHS ist eine komplexe Thematik mit vielfältigen Auswirkungen. Die Diagnose erfordert eine gründliche Analyse, und die Behandlung sollte individualisiert sein, einschliesslich Verhaltenstherapie, psychoedukativen Ansätzen und möglichen medikamentösen Optionen. Es gibt auch alternative Ansätze, aber ihre Wirksamkeit variiert. Eine umfassende Behandlung, die verschiedene Aspekte berücksichtigt, ist entscheidend, um den Betroffenen bestmöglich zu helfen.

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