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Die 4 Bindungstypen (attachment styles). Welcher bist du?

Veröffentlicht am
20.12.2023

Die Psychologie der Bindungstypen

Die menschliche Bindungsfähigkeit und die daraus resultierenden Typen sind ein faszinierendes Forschungsfeld der Psychologie - auch für mich. Basierend auf Bowlbys und Ainsworths Arbeiten identifizieren wir vier Hauptbindungsstile: den sicheren Bindungstyp, den unsicher-vermeidenden, den unsicher-ambivalenten und den unsicher-unorganisierten Bindungstyp.

Die Ursprünge der Bindungstypen wurzeln in frühen Bindungserfahrungen zwischen Kindern und ihren Hauptbezugspersonen. Ein sicherer Bindungstyp entsteht oft, wenn ein Kind auf konsistente und unterstützende Weise auf seine Bedürfnisse reagieren kann. Unsichere Bindungstypen wie der unsicher-vermeidende, unsicher-ambivalente und unsicher-unorganisierte Bindungstyp entstehen hingegen aus Erfahrungen von Vernachlässigung, Inkonsistenz oder sogar Traumata in der Kindheit.

Auch ich gehöre zu einem unsicheren Bindungstyp, und obwohl die Schuld- oder Ursprungsfrage für mich keine Rolle mehr spielt, ist die Vergangenheit unveränderlich. Meine Eltern sind letztlich auch nur die Kinder meiner Grosseltern, die zwei Kriege miterlebten. In dieser Perspektive wird klar: Sicher ist (für mich) nur die Unsicherheit. Dennoch können wir nicht ignorieren, dass diese Muster unsere Beziehungen massgeblich beeinflussen. Schauen wir also genauer hin:

Verschiedene Bindungstypen im Überblick

Der sichere Bindungstyp

  • Merkmale: Vertrauen in dich selbst und andere, Komfort in Nähe zu anderen, Fähigkeit, enge Beziehungen ohne übermässige Ängste oder Distanz einzugehen.
  • Verhalten: Fähigkeit zur Suche und Gewährung von Unterstützung, Wohlfühlen in emotionaler Nähe, weniger Ängstlichkeit bei Zurückweisung.

Der unsicher-vermeidende Bindungstyp

  • Merkmale: Betonung von Unabhängigkeit, Wahrung emotionaler Distanz, Schwierigkeiten bei emotionaler Intimität und Vertrauen.
  • Verhalten: Tendenz zur Vermeidung enger Beziehungen oder Ausweichung emotionaler Bedürfnisse, geringere Anzeichen von Nähe oder Engagement.

Der unsicher-ambivalente Bindungstyp

  • Merkmale: Gemischte Gefühle in Beziehungen, starke Abhängigkeit von anderen, gleichzeitige Ängstlichkeit und Unsicherheit bezüglich der Zuverlässigkeit von Bezugspersonen.
  • Verhalten: Schwierigkeiten beim Sicherfühlen in engen Beziehungen, möglicherweise ambivalentes Verhalten oder angstvolle Reaktionen auf Trennungen.

Der unsicher-unorganisierte Bindungstyp

  • Merkmale: Verwirrung und Desorganisation, unvorhersehbares Verhalten, Schwierigkeiten bei der Herstellung emotionaler Nähe oder Verbundenheit.
  • Verhalten: Mischung aus vermeidenden und ambivalenten Verhaltensweisen, scheinbar inkonsistent und unvorhersehbar.

Die grössten Ängste von Menschen mit einem unsicheren Bindungstyp in Beziehungen

  1. Verlassen werden: Menschen mit unsicherem Bindungstyp haben oft Angst davor, von ihren Partnern verlassen oder abgelehnt zu werden. Sie können sich ständig Sorgen machen, dass ihr Partner sie verlassen könnte, was zu Anspannung und Unsicherheit in der Beziehung führen kann.
  2. Nicht gut genug sein: Personen mit unsicherem Bindungstyp können Angst davor haben, dass sie nicht gut genug für ihren Partner sind oder dass sie nicht in der Lage sind, ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Sie können sich minderwertig fühlen und ständig nach Bestätigung suchen.
  3. Alleinsein: Die Vorstellung, allein zu sein oder keine unterstützende Beziehung zu haben, kann für Menschen mit unsicherem Bindungstyp sehr beängstigend sein. Sie können Angst davor haben, allein gelassen zu werden und keine Unterstützung oder Nähe zu haben.
  4. Unvorhersehbarkeit: Unsichere Bindungstypen können Angst vor der Unvorhersehbarkeit von Beziehungen haben. Sie können sich unsicher fühlen, wie sich ihre Partner verhalten werden, und Angst davor haben, dass sich die Beziehung plötzlich ändern könnte.
  5. Vertrauensprobleme: Personen mit unsicherem Bindungstyp können Schwierigkeiten haben, anderen zu vertrauen, insbesondere in engen Beziehungen. Sie können Angst davor haben, verletzt oder betrogen zu werden und finden es schwer, anderen zu glauben.

Diese Ängste können stark variieren und hängen oft von individuellen Erfahrungen und Beziehungsmustern ab. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder mit einem unsicheren Bindungstyp die gleichen Ängste hat, und dass diese Ängste im Laufe der Zeit und durch therapeutische Unterstützung oft bewältigt werden können.

Vielfältigkeit der Bindungstypen und ihre Auswirkungen

Es ist wichtig zu betonen, dass Bindungstypen nicht starr sind und viele Menschen verschiedene Merkmale verschiedener Bindungstypen aufweisen können. Die Bindungstheorie bietet Einblicke in zwischenmenschliche Beziehungen und zeigt, wie Kindheitserfahrungen diese Beziehungen im Erwachsenenalter prägen können.

Am schwersten belasteter Bindungstyp?

Es ist schwierig zu bestimmen, welcher Bindungstyp am stärksten belastet ist, da alle unsicheren Bindungstypen eigene Herausforderungen und Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen haben.

Strategien für den unsicheren Bindungstyp

  • Selbstreflexion und Achtsamkeit: Beginne damit, deine eigenen Bindungsmuster zu erkennen. Achtsamkeit hilft dabei, deine emotionalen Reaktionen und Verhaltensweisen bewusst wahrzunehmen.
  • Stärkung des Selbstwertgefühls: Arbeite an deinem Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Setze dir realistische Ziele und erkenne deine eigenen Stärken an.
  • Emotionale Regulation: Lerne Techniken zur Emotionsregulation, um mit starken Emotionen umzugehen. Atemübungen, Meditation oder Achtsamkeitspraktiken können dabei helfen, innere Ruhe zu finden.
  • Grenzen setzen und kommunizieren: Lerne, klare Grenzen zu setzen und kommuniziere diese in deinen Beziehungen. Es ist wichtig, deine eigenen Bedürfnisse zu verstehen und diese offen zu kommunizieren.
  • Selbstfürsorge und Selbstliebe: Nimm dir bewusst Zeit für Selbstfürsorge und Selbstliebe. Pflege Hobbys, gehe spazieren, lese oder praktiziere Aktivitäten, die dir Freude bereiten.
  • Fokus auf gesunde Beziehungen: Suche nach Beziehungen, die unterstützend und förderlich sind. Umgebe dich mit Menschen, die Verständnis für deine Bedürfnisse haben und dich so akzeptieren, wie du bist.
  • Ausbau sozialer Kompetenzen: Arbeite an deinen sozialen Fähigkeiten, wie z. B. aktivem Zuhören, Empathie und der Fähigkeit, angemessen auf andere Menschen einzugehen.
  • Lernen aus Erfahrungen: Reflektiere vergangene Beziehungen und analysiere, was gut lief und was nicht. Nutze diese Erkenntnisse, um dich persönlich weiterzuentwickeln.
  • Geduld und Zeit geben: Veränderungen in Bindungsmustern benötigen Zeit und Geduld. Sei geduldig mit dir selbst während dieses Prozesses der Veränderung.
  • Therapeutische Unterstützung: Suche einen qualifizierten Therapeuten auf, der Erfahrung mit Bindungsstilen hat. Eine professionelle Anleitung kann dir helfen, die Ursachen deiner Unsicherheiten zu verstehen und zu bewältigen.

Strategien für den Umgang mit einem unsicheren Bindungstyp in Beziehungen

  1. Offene Kommunikation: Schaffe einen Raum für offene und ehrliche Kommunikation. Ermutige deinen Partner zur Selbstreflexion und biete Unterstützung an.
  2. Verständnis für Bindungsmuster: Informiere dich über verschiedene Bindungsstile und deren Auswirkungen. Verstehe, wie diese Muster deine Beziehung beeinflussen können.
  3. Einfühlungsvermögen zeigen: Zeige Empathie und Geduld gegenüber den Unsicherheiten deines Partners. Versuche, seine/ihre Bedürfnisse besser zu verstehen.
  4. Grenzen respektieren: Respektiere die Grenzen deines Partners und dränge nicht auf unangemessene Weise auf Nähe oder Distanz.
  5. Gespräche über Bedürfnisse: Ermutige dazu, über Bedürfnisse und Gefühle zu sprechen. Bestärke deinen Partner darin, sich sicher zu fühlen, wenn er/sie offen kommuniziert.
  6. Gemeinsame Aktivitäten zur Stärkung der Bindung: Unternehmen gemeinsame Aktivitäten, die das Vertrauen und die Bindung stärken, wie z. B. regelmässige Date Nights oder gemeinsame Hobbys.
  7. Verlässlichkeit und Vertrauen aufbauen: Sei verlässlich und zeige, dass dein Partner auf dich zählen kann. Baue allmählich Vertrauen auf.
  8. Geduld und Unterstützung: Biete deinem Partner Geduld und Unterstützung während seines/ihres persönlichen Wachstums an.
  9. Hilfe bei der Suche nach professioneller Unterstützung: Ermutige zur Therapie oder Unterstützung durch einen Psychologen, um an den Bindungsmustern zu arbeiten.
  10. Selbstreflexion: Reflektiere auch deine eigenen Handlungen und Reaktionen in der Beziehung. Sei bereit, an dir selbst zu arbeiten und das Verhalten zu ändern, das möglicherweise zur Dynamik beiträgt.

Fazit

Das Verständnis der Bindungstypen bietet Einblicke in zwischenmenschliche Beziehungen. Trotz schwieriger Kindheitserfahrungen gibt es Wege zur Heilung und Förderung gesunder Bindungsmuster für stabile und erfüllende Beziehungen.

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